Berlin boomt und platzt aus allen Nähten: Seit 2001 ist die Einwohnerzahl um über 285.000 Personen gestiegen. Immer mehr Konzerne verlegen ihre Geschäfte in die Hauptstadt, die mit ihrer kulturellen Vielfalt auch Künstler aus aller Welt anlockt. Immer mehr Menschen möchten hier arbeiten und leben, Baugrund und Wohnraum sind knapp, die Mieten teuer, die Verwaltungen insbesondere in der Innenstadt überfordert.
Was also tun? Wohin mit neuen Wohnungen, Kitas und Versorgungszentren? Wie kann die Stadt wachsen, dennoch nachhaltig bleiben und Rückzugsräume ermöglichen? Fragen wie diese beschäftigen Politiker, Architekten, Stadtplaner und Wissenschaftler zugleich. Die bisherigen Ideen sind kreativ – doch sind sie auch realistisch?
Mögliche Strategien: An- oder ausbauen!?
Wo ist noch Platz für den dringend benötigten Wohnraum? Seit einigen Jahren wird eine mögliche Bebauung des Tempelhofer Feldes kritisch diskutiert. Für die Vertreter der Initiative “100 Prozent Tempelhofer Feld” leistet der Ort identitätsstiftende Arbeit und ist sowohl für die Geschichte Berlins als auch für die Einwohner wichtig. Vor wenigen Monaten brachte der Regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller das Thema wieder auf den Tisch. Seiner Meinung nach muss sich hier etwas bewegen, da der Druck wächst. Kritiker verweisen auf die 740.000 Berliner, die 2014 in einem Volksentscheid für das Gesetz zum Erhalt des Areals und damit gegen die Baupläne des Senats stimmten.
Zusammenarbeit der Länder: Integratives Modellviertel
Wie dem auch sei, irgendwann sind selbst nach mühevoller Nachverdichtung die letzten Kapazitäten ausgeschöpft und die Stadt kommt an ihre Grenzen. Neue Wohnungsanzeigen werden heute in Immobilienportalen teilweise bereits nach wenigen Stunden als reserviert markiert oder wieder gelöscht. Der vorherrschende Tenor in der Gesellschaft: Die Bezirke sind vollkommen überlaufen und überfordert und für eine gute Lebensqualität sollen doch bitte auch die wenigen Grünanlagen, die es noch gibt erhalten bleiben. Daher plädieren Politiker wie Tobias Schulze, stellvertretender Landesvorsitzender der Linken Berlin, für einen neuen Bezirk außerhalb der Stadt: „Es wäre spannend, wenn nach den Vorbildern des Wohnungsbaus der 20er-Jahre ein integratives Modellviertel entstehen würde“, so Schulze gegenüber der Morgenpost Berlin. Mögliche Ansatzpunkte für eine Ausweitung liegen zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg, zum Beispiel zwischen Pankow, Buch, Bernau und Oranienburg oder zwischen Spandau, Zehlendorf, Potsdam und Falkensee. Doch all das macht nur Sinn, wenn auch die Verwaltungen fortschrittlicher und effektiver arbeiten. Dazu könnten digitale Lösungen stärker in den Fokus rücken.
Ein Siedlungsstern: Der Plan von Woidke und Müller
Die sogenannte Metropolenregion ist längst keine Zukunftsmusik mehr: Im Januar beschlossen die Kabinette der Länder Berlin und Brandenburg den Landesentwicklungsplan für die nächsten 10 Jahre. Dieser sieht vor, dass neue Siedlungsräume mit mehr als 400.000 Wohnungen entstehen sollen, die vom Zentrum Berlins aus sternenförmig nach Brandenburg entlang der Schienenstränge verlaufen. Das Ziel: Die Verkehrsadern nutzen und gleichzeitig die Natur schützen: „Wir wollen den Charakter unseres Landes und die Attraktivität erhalten“, so der Ministerpräsident Brandenburgs Dietmar Woidke gegenüber der Morgenpost.
Insgesamt sollen 10 Korridore entstehen, die ganz gezielt bestimmte Städte aus Brandenburg besser mit Berlin verbinden. Nach Woidke kann Berlins Wohnsituation durch bessere Verkehrsverbindungen in brandenburgische Städte wie Eberswalde oder Cottbus effektiv entlastet werden. Kritik kommt vor allem aus den Reihen der brandenburgischen CDU, so zum Beispiel vom Fraktionschef Ingo Senftleben: „Wir wollen die derzeitige Verhinderungsplanung beenden und mehr Wachstum in beiden Ländern, die auf unterschiedlichen Rahmenbedingungen beruhen, ermöglichen. Hierzu brauchen wir einen völligen Neustart der gemeinsamen Landesplanung“. Demnach spielt die in diesem Jahr anstehende Landtagswahl in Brandenburg durchaus eine entscheidende Rolle für beide Länder.
Alternativ könnten sich neue Städte wie bei einer Zwiebelschale um Berlin herum anordnen. Das würde allerdings die Verkehrsplanung erschweren und Grünzonen belasten.
Ideen zu einer neuen Stadt 2.0 vor den Toren Berlins
Die Bandbreite möglicher Lösungen ist groß – zumindest, was die Ideen betrifft. Das zeigte die Galerie vom Bund Deutscher Architekten BDA Berlin, die im Jahr 2017 dazu aufrief, Positionen und Ideen zur Neugründung einer Stadt des 21. Jahrhunderts vor der Hauptstadt einzureichen. Was dabei herauskam, waren viele spannende, ironische, aber auch kritische Entwürfe, von denen die besten in der Ausstellung Neustadt Berlin 40/40 gezeigt wurden. Vierzigaufvierzig steht für das Format der Entwürfe – ein Format der klassischen Papierserviette – 40 cm x 40 cm. Denn es handelt sich um Skizzen, statt ausformulierte Konzepte. Wir stellen euch einige der überwiegend unkommentierten Zukunfstszenarien vor:
Seaside Berlin: Schnellzug zu einem neuen Ostseebad
Strong nature, strong architecture
Die Stadt als grüner Trichter
Neustart 2017: Gezielte Ausdehnung
Titelbild: SEASIDE BERLIN @Stadler Prenn