Interview mit Andreas Fischer:
Wie Digitalisierung den klassischen Kunstbegriff aufbricht

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Andreas Fischer ist ein Künstler mit Sitz in Berlin, der sich auf digitale Kunst spezialisiert hat. In unserem Interview berichtet er über seine Zusammenarbeit mit Samsung für die IFA, wie eine Agentur seine Arbeit kopiert hat und warum der Trend zur Virtualisierung auch wieder zurückgehen wird.

 

Seit wann arbeitest du hauptberuflich als Künstler?

Ich würde sagen dass das ein langwieriger Prozess ist. Ich habe an der Universität der Künste Berlin studiert. In einer digitalen Klasse mit den Professoren Joachim Sauter und Jussi Ängeslevä. Das ist an sich ein Design Studium, beziehungsweise ein Teil von dem Grafikdesign Studium. Die haben eine Fachklasse mit Ausrichtung auf digitale Medien. Ich habe mich eigentlich gleich nach dem Studium selbstständig gemacht und angefangen zu freelancen. Gleichzeitig hatte ich eigene Arbeiten und Ausstellungen. Wobei ich am Anfang als Motion Designer gearbeitet habe. Es dauert ja auch eine Weile bis man eine Linie gefunden hat. Es wurde dann immer mehr eigene Projekte. Aber es hat schon ein paar Jahre gedauert.

 

 

Ilaria Nistri X ANF A/W 15/16 collection

 

Du hast schon mit vielen Marken wie zum Beispiel Samsung zusammengearbeitet und für eine Modedesignerin Stoffmuster entworfen. Wie sind diese Kooperationen entstanden?

Das meiste ist über das Internet gekommen weil Marken irgendwann meine Arbeiten finden und dann auf mich zukommen. Dann kommt man ins Gespräch und schaut was möglich ist. Ich mache kaum direkte Akquise oder sowas. Das heißt ich habe meine Online-Präsenz, meine Ausstellungen und Social Media aber ansonsten mache ich echt nichts. Die Kunden kommen eigentlich zu mir und das läuft ganz gut.

 

Was war das größte Projekt, das du gemacht hast?

Die Arbeit mit Samsung 2016 für die IFA war eins der Highlights und eines der größten Dinge, die ich gemacht habe. Da muss man dazu sagen, dass ich das nicht alleine gemacht habe. Sondern in Zusammenarbeit mit der Postproduktion und einem Designstudio. Ich war für einen Teil des Kreativen verantwortlich, also der Medienbespielung. Meine Aufgaben waren Konzeption und Art Direction, die Geschichte der visuellen Bespielung zu entwickeln und einen Teil der Produktion.

 

 

Photo by Christopher Bauder

 

Was steht bei dir in nächster Zeit Neues an?     

Über mein neues Projekt darf ich noch nicht so viel sagen. Ich arbeite mit einem Hersteller für Computerprozessoren zusammen, der auf künstliche Intelligenz spezialisiert ist. Die produzieren riesige Datensätze und es geht darum, diese in eine Form zu bringen und zu visualisieren.

 

Wie lange arbeitest du an einem Projekt?

Das kommt ganz drauf an. Es gibt kommerzielle Projekte, die nur ganz kurz sind. Bei eigenen Projekten verhält es sich meistens anders. Es kann sein, dass man in ein paar Tagen ein Konzept macht oder auch ein halbes Jahr an etwas arbeitet. Es gibt bestimmte Themen, die mich interessieren und Werkreihen, die ich immer weiter entwickle. Das hat keinen Anfang und auch kein Ende. Wofür ich mit am bekanntesten bin, sind diese generativen Zeichnungen und Videoinstallationen. Die Reihe heißt “Schwarm” und “V0ID” ist eine Weiterentwicklung davon. Ich habe vor zehn Jahren angefangen diese Software zu entwickeln. Einmal im Jahr oder wenn ich Lust darauf habe, setze ich mich hin, schreibe ein paar Sachen und produziere wieder neue Arbeiten. Im Moment mache ich viele Videos. Das Ganze basiert auf einer Software. Also ich filme, drehe und animiere nichts, sondern es ist eine rein textbasierte Software, die ich ablaufen lasse und mit der ich Videos erzeuge. In diesem Projekt ist die meiste Kontinuität drin. Das ist irgendwie ein Thema, das mich nicht so richtig los lässt oder wo ich immer wieder neue Facetten entdecke. Ich möchte eine andere visuelle Qualität aus dem gleichen System holen.

 

Was möchtest du mit deiner Kunst ausdrücken?

Das ist was womit ich mich immer ein bisschen schwer tue. Es gibt keinen konkreten Hintergrund. Was mich an meiner Arbeit fasziniert ist das, was man generatives System nennt. Da geht es nicht darum eine einzelne Arbeit zu machen, sondern darum ein System zu schaffen, das potenziell eine endlose Reihe an Arbeiten selber produzieren kann. Es ist ein Algorithmus, den ich vorgebe und innerhalb dieses Regelwerks hat die Software einen gewissen Entscheidungsfreiraum. Jeder Sekundenbruchteil wird ein kleiner Schalter umgelegt oder wird nicht umgelegt. Ich habe ein paar Millionen von diesen kleinen Schaltern und gebe eine Regel vor, wie die sich zu verhalten haben. Dadurch entsteht ein kohärentes Bild. Dieses Phänomen nennt man Emergenz. Das heißt, wenn man sich einen einzelnen Partikel angucken würde und der zeichnet eine Linie, dann sieht man halt eine Linie. Aber dadurch dass man eben so viele von diesen Partikeln hat, entsteht ein großes Ganzes. Das System wird dann erst sichtbar. Die Schwarm- und die V0ID-Reihe haben die gleiche Basis, die ich immer weiterentwickle. Ich nehme dann andere Farbkomponenten, neue Wege wie gezeichnet wird. Es ist nicht immer das gleiche aber eine Weiterentwicklung von dem Grundprinzip.

 

Könnten andere dieses Konzept kopieren?

Mich hat mal eine Agentur angefragt. Dann hat sie sich aus irgendeinem Grund dagegen entschieden mit mir zu arbeiten. Ein paar Monate später habe ich dann gesehen, dass sie meine Arbeit einfach kopiert haben. Man kann das System an sich nachprogrammieren aber was die Leute eben nicht schaffen, ist die gleiche visuelle Qualität zu erzeugen. Es ist ja auch sehr viel abhängig von der Farbgebung und welche Bilder man aus dem System auswählt. Also das kuratieren der eigenen Arbeit ist sehr wichtig. Das System spuckt sehr viel aus aber es hat nicht alles einen hohen ästhetischen Wert, was produziert wird. Ich suche aus was ich für gelungen halte – das ist dann die Arbeit an sich. Dafür bin ich in dieser Szene der digitalen Kunst letzten Endes auch bekannt. Aber diese Algorithmen sind nichts was ich erfunden habe, sondern es ist nur eine Variation und Weiterentwicklung davon.

 

 

V0ID V 02 by ANF

 

Ist man dann mehr Programmierer als Künstler? Was würdest du zu Leuten sagen, die meinen dass digitale Kunst keine Kunst ist?

Der Kunstbegriff ist eigentlich vollkommen aufgebrochen. Wenn man sich die zeitgenössische Kunst anschaut, geht es ja gar nicht mehr ums Handwerk. Das Handwerk machen andere. Natürlich gibt es noch Maler und Leute, die das alles selber machen aber da geht es eigentlich nicht mehr drum. Es geht um das Konzept und die Idee, die dahinter steckt und nicht mit welchem Werkzeug das jetzt erzeugt wurde. Video ist ein Thema, das stärker geworden ist in den letzten Jahren weil es mehr Displays und mehr Möglichkeiten gibt diese zu zeigen. Nicht nur Online sondern auch im Raum.             

 

Glaubst du digitale Kunst in ein Trend, der wieder abnimmt?

Durch die Digitalisierung ist man immer weiter von der Realität und dem Handwerklichen entfernt. Die meisten Leute verbringen den ganzen Tag damit auf den Display zu gucken, benutzten nur drei ihrer Sinne und gucken auf Sachen, die simuliert werden. Die sind natürlich in irgendeiner Form da, aber haben nichts mehr mit der physischen Realität zu tun. Dadurch entsteht bei den Menschen wieder das Bedürfnis zurück zum selbst machen, zum Erdigen und Natürlichen. Das kann ich beides nachvollziehen und das wird weiterhin parallel existieren. Die Virtualisierung greift weiter um sich und die Qualität der Simulation wird besser. Bis man irgendwann ein Implantat hat, das die Bilder direkt auf der Retina erzeugt und man kein Display mehr dafür braucht. Aber gleichzeitig haben wir noch unseren physischen Körper und unsere Sinne. Es ist ein biologisches Bedürfnis sich mit Menschen zu umgeben. Wenn man das nicht macht wird man unglücklich. Man ist immer noch ein Primat, zwar sehr hoch entwickelt aber nach wie vor durch Enzyme gesteuert. In jedem von uns steckt diese evolutionsbiologische Subroutine und die wird man nicht rausbekommen, auch nicht mit mehr Digitalisierung. Je weiter sie voranschreitet, desto mehr entfernen wir uns von dem Urzustand, auf den wir programmiert sind.   

 

 

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