Gastartikel von Petra Hess:
In Indonesien daheim, in Berlin Zuhause

Reisebuchautorin Petra Hess in Indien, Indonesien

Ein Gastartikel von Petra Hess – Reisebuchautorin, CoFounder des Indojunkie Verlags und Gründerin von Koala Mind Meditation. Für ihren Job reist sie regelmäßig nach Indonesien und Indien, um für neue Reisebücher und ihren Podcast zu recherchieren.

In Indonesien daheim, in Berlin Zuhause

Es ist Mitte Januar, ich bin auf dem Weg zum Flughafen. Eine Gruppe genervter Wartender steht schon im Nieselregen und wartet auf den Bus. Ich schiebe mich mit ein paar motzig dreinschauenden Leute in die M29. “Ich will zum Flughafen”, sage ich zum Busfahrer. “Schön für dich” antwortet mein Busfahrer. Die Türen schließen sich, der Bus fährt ab. Berlin, ach Berlin. Du kannst so viel motzen, pöbeln und stinken wie du willst – ich werde in drei Monaten doch wieder zu dir zurückkehren.

 

Ich verdiene meine Brötchen als Reisebuchautorin. Was vor fünf Jahren klein im Studium angefangen hat, ist heute ein stolzer Selbstverlag über Indonesien. Im Januar haben wir unseren neuen Bali Reiseführer veröffentlicht. Heute kann ich von meinen Büchern leben. Als Reisebuchautorin kann ich nicht nur von Indonesien, sondern eigentlich von überall aus arbeiten. Plötzlich war ich aufgestiegen in den Digitalen-Nomaden-Himmel! Warum ich aber trotzdem immer wieder zurück nach Berlin komme, möchte ich in diesem Artikel verraten.

5 Gründe, warum man immer wieder nach Berlin zurückkehren sollte

1. Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite

Leben und arbeiten, wo man will und wann man will. Das scheint gerade das Ziel einer ganzen Generation zu sein. Seitdem sich online Geld verdienen lässt, starten viele als virtuelle Assistenz, Amazon-Seller oder im Online Marketing und reisen um die Welt. Da das Gras immer grüner auf der anderen Seite ist, verlässt man also Hals über Kopf das graue Berlin, um am anderen Ende der Welt endlich glücklich zu werden.

 

Reisen ist wundervoll. Es erweitert den Horizont und bietet die Möglichkeit, diesen wunderschönen Planeten, andere Kulturen und sich selbst ganz neu kennenzulernen. Doch tatsächlich merkt man recht schnell, dass Reisen allein nicht glücklich macht. Im Gegenteil: Wer wöchentlich seine Unterkunft wechselt und täglich neue Gesichter sieht, wird rastlos und bekommt nicht selten eine Sinnkrise. Jetzt mal ehrlich: Berlin ist sicher nicht Bali, Chiang Mai oder Costa Rica – aber auch nicht weniger! Wer Berlin verlassen will, um woanders glücklich zu werden, wird es wahrscheinlich eher nicht. Denn die Probleme und Sorgen sind dann doch im Handgepäck mitgeflogen und nach der Honeymoon-Phase kommen sie auch irgendwann wieder zurück.

 

Es liegt ganz alleine an dir, ob du glücklich bist oder nicht. Von außen können faszinierende Länder, das Meer und die Palmen vielleicht kurzweiliges Glück bringen, aber das ist wie mit dem Konsum: Nach dem ersten Rausch gewöhnt man sich ans Paradies und zurück bleibt doch wieder das Gefühl, das immer da war. Das Gras ist eben doch auch nur grün. Und vielleicht am Ende doch besser im Görlitzer Park.

2. Echte Freunde

Wenn wir uns an unsere schönsten Momente während dem Reisen erinnern, dann sind das meistens Situationen mit Menschen, die uns begegnet sind. Und genauso ist es mit den Leuten zuhause. Was macht den Alltag besonders? Kaffee trinken mit der Freundin am Kanal, ein Bier mit dem Kumpel um die Ecke und der kleine Roadtrip zum Liepnitzsee, zu hören, was los ist im Leben von lieben Freunden, die Familie besuchen, gemeinsam das Leben zu genießen.

 

Dinge, die wir oft nicht mehr zu schätzen wissen, weil sie ständig da sind. Dinge, die wir aber schmerzlich vermissen, wenn wir alleine an einem fremden Ort sind. Wer viel um die Welt reist und nur oberflächliche Freundschaften schließt, wird früher oder später echte Freundschaften und die eigene Familie vermissen. Denn wer dauernd unterwegs ist, verpasst die kleinen und großen Momente im Leben der Liebsten.  

3. Das Berlin Mindset

Offenheit, Toleranz und Ehrlichkeit. Berlin hat viele tolle Werte, mit denen ich mich identifiziere und die mir wichtig sind. Selbstverwirklichung, Kreativität und Nachhaltigkeit statt Profit, Konsum und Statussymbole. Das ist nicht überall so. Tatsächlich muss man nur einmal über die Stadtgrenzen hinaus, um der Berlin-Bubble zu entschlüpfen.

 

Es gibt aber auch Orte, an denen die Menschen ebenso wenig Konsum und Statussymbole suchen und noch viel glücklicher sind als wir. Gesellschaften, die nicht vom Leistungsstreben und Bewertungen geprägt sind und in einer Gemeinschaft leben, die vom gegenseitigen Support und Wertschätzung lebt. Orte und soziale Strukturen, die mich inspirieren und mich über unsere Strukturen nachdenken lassen.

 

Ich denke, wir sind nicht ohne Grund an einem Ort geboren und diese Wurzeln prägen uns. In unserer westlichen Welt einen Platz zu haben, in dem so viele Menschen an ein alternatives Lebensmodell glauben, ist eine wundervolle Sache.

4. Coworking in Berlin

Wer selbstständig ist, muss morgens nicht ins Büro gehen. Eigentlich muss man nirgendwo hingehen. Es gab unzählige Tage, an denen ich von morgens bis abends in der Jogginghose am Tisch meiner Einzimmerwohnung gelümmelt habe. Auf die Dauer eine sehr deprimierende Erfahrung. Glücklicherweise ist Berlin voll mit Coworking-Oasen, an denen man Seite an Seite mit anderen Freelancern und Selbstständigen arbeiten kann. Die aufstrebende Start-Up-Welt trifft sich gerne Mac an Mac in der Factory, um sich zu vernetzen. Digitale Nomaden sind in den vielen Coworking Cafés mit gutem WLAN am Rosenthaler Platz unterwegs.

 

Und dann gibt es noch kleine familiäre Coworking-Oasen, die weniger anonym sind und viel Herz haben. Mein absolutes Lieblings-Coworking ist das Mitosis in der Weserstraße. Die nette Gruppe ist ein bunter Haufen an Menschen aus der ganzen Welt, die an verschiedenen kreativen Projekten oder ihrer Abschlussarbeit arbeiten. Mittags wird zusammen gekocht und abends gibt es ein Bier zum Feierabend vor dem Büro in der Weserstraße. Tolle Menschen mit viel Sinn für das Wesentliche – da fühlt man sich Zuhause.

5. Berlin ist inspirierend

Berlin ist ein wundervoller Ort für kreative Menschen aus der ganzen Welt. Hier treffen spirituelle Menschen auf inspirierende Macher, die etwas verändern wollen. Wenn ich durch die Straßen laufe, sehe ich immer wieder neue nachhaltige Geschäftsideen, soziale Projekte und Initiativen, die sich für ein faires Zusammenleben und mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen.

 

Die Einstellungen, Gedanken und Ideen in deiner Stadt prägen dich ganz unbewusst mit. Man sagt, du bist der Durchschnitt der fünf Menschen, die um dich herum sind. In Berlin bist du definitiv in guter Gesellschaft! Ein toller Ort für alle, die neue Impulse brauchen und ihr eigenes Ding umsetzen möchten.

 

Hier sind nicht nur all meine Reisebücher entstanden, in Berlin produziere ich auch meinen neuen Meditations-Podcast Koala Mind, auf dem ich jede Woche neue meditative Techniken veröffentlichte. Kleiner Tipp: Hier gibt es auch eine Meditation für schlechte Tage, falls du mal wieder einen Durchhänger in der Hauptstadt hast.

Fazit

Auch wenn andere Orte sonniger, schöner und aufregender sind: Berlin ist meine Wunschheimat. Hier bin nicht nur ich, sondern die ganze Welt zuhause. Vielleicht ist hier und dort der Lack ab, dafür ist Berlin ehrlich und lässt sich nicht so schnell unterkriegen.

 

 

 

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