Behind the Screen ist eine aktuelle Ausstellung von mehreren Künstlern, die mit digitalen Mitteln spannende Werke erschaffen. Es geht um Kunst, deren Entstehungsprozess mit neuen Technologien eng verbunden ist. Die digitale Kunst könnt Ihr noch bis zum 21. Juli 2019 im Zentrum für zeitgenössische Kunst KINDL in Berlin bestaunen. Ein Besuch lohnt sich!
Privatsphäre im Internet als digitale Kunst
Come chat with me! So lautet eine Aufforderung der Neon-Serie Solve this Captcha (2016) der !Mediengruppe Bitnik. Captchas sind typografische Zeichenfolgen, die oftmals auf Websites verwendet werden, um Nutzer von Bots zu unterscheiden, die das menschliche Verhalten nur nachahmen. Es stellt sich die Frage, inwiefern wir im Internet Bots noch von echten Personen unterscheiden können. Kommunizieren wir online schon längst mit Bots, ohne es zu bemerken?
Auch Julia Weißenberg hinterfragt in ihren Werken die Bedeutung von Privatsphäre in der digitalen Welt. In Live (2018) thematisiert sie die neuen Herausforderungen, die mit digitaler Kommunikation einhergehen: Ein auf dem Boden ausgebreiteter Teppich, bietet ein Mosaik an bunten Eindrücken zur permanenten Datenspeicherung. Wie können diese sinnvoll eingesetzt werden, wie verändert sich dadurch unsere Selbstwahrnehmung?
Ihr Werk Form Switcher (2018) ist in beeindruckender Weise komplett aus Quarzsand gefertigt. Was die wenigsten wissen: Der Stoff gilt nach Wasser als der zweitwichtigste Rohstoff der Welt. Die Industrie benötigt ihn für die Herstellung neuer Technologien. So eröffnet die Künstlerin einen Meta-Diskurs, indem sie Computer durch eben jenes Material abbildet, aus dem diese bestehen.
Neuer Wahrheitsgehalt von Fotografie
Fotografie hatte ursprünglich einen dokumentierenden Charakter. In ihren Anfängen galt sie als Sicherung von Realität. Was auf einer Fotografie abgebildet war, hatte einen hohen Wahrheitsanspruch. Dies änderte sich in den letzten Jahren drastisch. Mit der digitalen Fotografie kam auch die Manipulation durch digitale Bildbearbeitungsprogramme auf. Bei der Wandinstallation Jennifer in Paradise (2013) handelt es sich um eines der ersten durch Photoshop bearbeiteten Bilder.
Der Künstler Constant Dullaart ruft ins Bewusstsein, dass nichts mehr so sein muss, wie es scheint. Auch in seinem Werk PVA Compositions (2017) geht es um Täuschung: Die streng militärisch angeordneten SIM-Karten kommen in Formationen einher und ähneln einer Raute oder Symbolen, die an das WLAN-Zeichen erinnern – eine Art Armee von gefälschten Followern bei Facebook und Instagram durch SIM-Karten. Likes und Follower gelten in sozialen Netzwerken als die neue Währung . Doch was ist ein Follower wert, wenn es sich dabei lediglich um gefälschte Identitäten handelt?
Diskurs von Mensch und Maschine
Inwiefern Maschinen menschliche Arbeitsprozesse übernehmen können, ist eine viel diskutierte Frage. Tristan Schulze speiste Webmuster in eine künstliche Intelligenz ein, aus denen diese dann Wandteppiche herstellte. Die Ergebnisse sind verblüffend. Derartiges ist aber nicht ohne die Vorlagen menschlicher Arbeit möglich.
Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine erkennt man auch in Addie Wagenknechts Werk Beauty and Terror (2018). Dafür modifizierte sie einen Staubsauger, der nun nicht mehr saugt, sondern mit Kosmetikartikeln anhand von Algorithmen auf eine Leinwand malen kann. Sie stellt damit eine Verbindung zwischen der Schönheitsindustrie und neuen Technologien her.
Die Serie RGB Paintings (2018/19) zeigt analog die roten, grünen und blauen Pixel, aus denen sich Bilder auf LED-Bildschirmen zusammensetzen. Die Rasterbilder aus Papier von Gonzalo Reyes Araos machen Fehler in der Informationsübertragung in der physischen sowie digitalen Welt sichtbar. Ein weiteres Werk, in welchem digitale Vorgänge einen direkten Effekt auf die analoge Welt haben können, ist JLT Jonas Lund Token (2018). Der Künstler erstellt Aktien in einer Kryptowährung, mit denen Aktionäre Entscheidungen in seiner künstlerischen Entwicklung treffen können. Damit setzt er Kunst in einen ökonomischen Kontext und hinterfragt Machtstrukturen auf dem Kunstmarkt.
Diese und weitere Werke, die Kunst und Technologie intelligent miteinander verbinden, gibt es noch bis nächste Woche Sonntag zu bestaunen. Digitale Technologien als Medium zu verwenden, bietet eine spannende Grundlage Verhaltens- und Denkmuster zu hinterfragen. In diesem Artikel erfahrt ihr von den Anfängen der neuen spannenden Kunstrichtung Digital Art und könnt euch dem Thema noch mehr annähern.
Infos zur Ausstellung:
Wann?
Noch bis 21. Juli 2019
Öffnungszeiten: Mi-So, 12-18 Uhr
Wo?
Maschinenhaus M2. KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst
Am Sudhaus 3, 12053 Berlin
Titelbild: Behind the Screen; Installationsansicht / Installation view; !Mediengruppe Bitnik: Solve This Captcha: U busy?, 2016; Maschinenhaus M2, KINDL – Zentrum für Zeitgenössische Kunst / Maschinenhaus M2, KINDL – Centre for Contemporary Art; 10.03.–21.07.2019; Foto: Jens Ziehe, 2019