Food Revolution 5.0:
Wie werden wir uns in Zukunft ernähren?

Food Revolution

“Du bist, was du isst”: Dieser Satz verdeutlicht eindrücklich, welchen Stellenwert Essen im 21. Jahrhundert für uns hat – auch für die Identitätsstiftung. Wie und was wir essen ist zudem Sinnbild für Heimat, kulturelle Regeln und gesellschaftlichen Status. Dennoch müssen wir uns im Zuge unserer steigenden Bevölkerungszahl, dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit und den damit einhergehenden Herausforderungen bezüglich Gesundheit, Hygiene sowie der Geopolitik die Frage stellen: Wie wollen wir in Zukunft konsumieren, produzieren, herstellen und entsorgen? Denn Fakt ist: Ohne Essen haben auch wir Menschen keine Zukunft.
 
Die Ausstellung “Food Revolution 5.0” stellt genau diese Frage in den Mittelpunkt: Über 20 internationaler Designer stellen ihre Visionen und Ideen für zukünftige Szenarien rund um das Thema Essen vor. Dabei geht es um Best Practice Vorschläge die verschiedene Perspektiven aufzeigen und uns dafür sensibilisieren sollen, dass die Zukunft des Essen grundlegend die Zukunft des Menschen bestimmt. Die Ausstellung im Kunstgewerbemuseum ist in vier Bereiche unterteilt: Farm, Markt, Küche und Tisch. Wir wollten uns selbst überzeugen und waren bei der Ausstellung vor Ort.

Farm

Für die industrielle Landwirtschaft werden ein Drittel aller zivilisationsbedingten Treibhausgasemissionen verbraucht und ganze 70% des Süßwasserverbrauchs. Zudem schwindet die Biodiversität, die notwendig ist, um eine nachhaltige Landwirtschaft aufzubauen und Systeme resilient zu machen. Der Weltagrarbericht kommt somit zu dem Schluss, dass der einseitige Produktivismus industrieller Landwirtschaft die natürlichen Ressourcen unserer Erde in unvertretbaren Maße ausbeutet. Zudem ist er unfähig das Nahrungsbedürfnis von Milliarden Menschen zu befriedigen, während ein anderer Teil gesundheitsschädlicher Überernährung zu Opfer fällt. Alles in allem ist dies als Scheitern unseres altbekannten Grundmodells der Landwirtschaft zu sehen.
 

Toll fanden wir das Projekt “Indoorfarm” des Frauenhofer-Instituts, das neue Chancen für eine nachhaltige Landwirtschaft darstellen möchte: Durch ein hydroponisches System wurzeln die Pflanzen nicht in der Erde, sondern in einem mit Wasser gefluteten Substrat bzw. Rinnensystem. So kann die benötigte Düngerlösung in der richtigen Konzentration direkt hinzugefügt werden. Großer Vorteil: Da die Pflanzen auf mehreren Ebenen wachsen, ist die Anbaufläche bis zehnmal so groß.
 
 
 
 

Markt

Es ist Tatsache, dass eine Hauptursache für schlechte Arbeitsbedingungen und Armut in den Produktionsländern der Preisdruck durch Lebensmittelkonzerne entlang der globalen Lieferkette ist. Denn durch den Handel mit Essen werden unglaubliche Geldmengen bewegt, sodass der Agrarprotektionismus der reichen Industrieländer die Preise auf dem Markt drücken kann. Gleichzeitig verhindert dies den Aufbau lokaler Erzeugerstrukturen, sodass die Menschen mit ihrem Einkommen nicht für genügend Nahrung auskommen können  – von der gesellschaftlichen Benachteiligung gar nicht erst zu sprechen: “Historisch gesehen steht der Handel mit Essen als Sinnbild für den globalisierten Kapitalismus. Der Supermarkt verkörpert DAS ästhetische Prinzip der siegreichen, kapitalistischen Welt und demonstriert die ständige Verfügbarkeit von Essen.”
 

Zwei Ideen vielen uns auf der Ausstellung besonders ins Auge: Das Projekt der Absolventen Dan Bossin und Tony Pilz namens “Plantboy” soll spielerisch dazu animieren, mehr Samen zu pflanzen – durch ein kleines Gerät, das Aussieht wie ein Playboy und auf die Erde gesetzt wird, wo es dann die kleine Pflanze mit Wasser versorgt.
 

Eine weiteres interessantes Projekt von Austin Steward mit dem Titel “Second Livestock” beschäftigt sich mit der Massentierhaltung von Hühnern. Das spekulative Gedankenkonzept schenkt den Tieren ein Stück (virtueller) Freiheit: Über eine VR Brille wird dem Huhn eine Welt auf dem Bauernhof mit anderen Artgenossen suggeriert und ein Leben in Freiheit.
 
 
 
 
 

Küche

Der Bereich Küche wird an dieser Stelle als “Spiegel kultureller, sozialer und ökonomischer Prägungen gesellschaftlicher Entwicklungen” beschrieben. Lebensstile, Geschmackstrends und soziale Positionen tümmeln sich hier und eignen sich als realer und symbolischer Ort der menschlichen Ernährung für innovative Praktiken. Hier kann der Konsument zum Produzenten werden, wenn er ein nachhaltiges Energie- und Abfallmanagement entwickelt.
 

Das Projekt von Hannah Alkouh könnte somit eines Tages Realität werden: unter dem Titel “Sea-meat Seaweed”, beschäftigt sich das Projekt mit der global bedenklichen Tierhaltung und stellt eine Lösung unseres Fleischkonsums durch die Verwendung von Algen als Fleischersatz dar. Denn Alge gilt als Superfood und schmeckt gebraten wie Schinkenspeck! Nichts desto trotz soll die reichhaltige Kultur der Fleischproduktion erhalten werden und so auch die Berufe des Metzgers, Schlachters und Bauern.
 

Ein weiteres Projekt mit dem Titel “Edible Growth” von Chloé Rutzerveld möchte eine Brücke zwischen neuen Technologien und authentischen Praktiken von Lebensmittelanbau und -zucht bilden: Multiple Schichten sollen einen essbaren Nährboden aus Saatkörnern, Sporen und Hefe enthalten und mithilfe eines 3D Druckers gedruckt werden. So kann durch Photosynthese und Fermentation vollständig natürliches, gesundes und nachhaltiges Essen produziert werden.
 

Tisch

Essen ist nicht nur lebensnotwendige Nahrungsaufnahme, sondern stellt ein soziales und kommunikatives Ereignis dar: Es spiegelt Lust und Leid, Genuss und Ekel sowie Reichtum und Armut. So ist es ein Merkmal unseres 21. Jahrhunderts, dass wir immer und überall essen können und es auch alleine oder unterwegs tun. Die Frage, die sich immer mehr in den Mittelpunkt stellt, lautet jedoch: Wie sollen/können wir richtig essen? Ein gesundes Ernährungswissen ist nicht für unsere eigene Gesundheit sondern auch für unserer ganze Gesellschaft ein wichtiges Thema.

 

So geht das Projekt von Marie Vogelzang mit dem Titel “Volumes” speziell auf unser Essverhalten und unsere Esskultur ein. Hier werden Objekte (die wie Organe aussehen) zwischen dem Essen auf dem Teller platziert, sodass wir die Menge an Essen automatisch reduzieren und uns nicht überfressen.
 

Bis zum 30. 09.2018 könnt ihr die Ausstellung noch im Kunstgewerbemuseum besuchen!

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Diese artikel könnten dich interessieren

Bilder auf Staffeleien zum Artikelthema Kunstauktion in Berlin erzielt Rekordsumme
Müll zerbeulte Bierdose auf dem Boden soll auf Notwendigkeit der Müllvermeidung hinweisen

Mit unserem monatlichen Newsletter erhaltet ihr nicht nur die neuesten, sondern auch die besten Top 10 Kunst- und Kultur-Events in Berlin. Jetzt anmelden!