Wer braucht schon frische Luft, körperliche Nähe oder einen tieferen Sinn im Leben, wenn einfach alles auf der Welt von nur einem Apparat aus gesteuert werden kann? Das Ergebnis kann man sich im Theater an der Parkaue in “Die Maschine steht still” nach E. M. Forster ansehen. Wir haben uns die Vorstellung angeschaut und geben euch eine Review zu der Dramatisierung.
Unterwerfung der Natur
Wie würde die Erde aussehen, wenn Maschinen das komplette Leben der Menschen bestimmen könnten? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Regisseurin und Videokünstlerin Evy Schubert in der Dramatisierung “Die Maschine steht still”. Die Maschine wird von Denis Pöpping verkörpert und steht im Zentrum des Theaterstücks. Sie ist der neue Lebensmittelpunkt der Menschheit geworden, nachdem diese die Natur vollkommen bezwungen hatte. Von der Erde geflohen, beschlossen die Menschen sich von ihrem alten Leben sowie ihrem religiösen Glauben zu lösen und dienten von dort an ausschließlich der Maschine.
Keine Erlebnisse, Emotionen, Erfahrungen
Von da an wurden zwischenmenschliche Beziehungen auf ein Minimum reduziert – körperliche Nähe ist für die Menschen ein Fremdwort. Die meiste Zeit des Tages verbringen sie in ihren fast leeren Zimmern in der Maschine. Jeder arbeitet rund um die Uhr daran, sie mit Wissen zu versorgen, um sie zu stärken. Während die meisten Menschen mit ihrem eintönigen Alltag zufrieden sind, kommen einer Person langsam Zweifel: Kuno. Er möchte die Maschine verlassen und zurück zur Erde reisen. Seine Mutter Vashti, der er davon über den Kommunikationskanal der Maschine berichtet, ist von dieser Idee überhaupt nicht begeistert. Genauso wenig wie von Kunos Bitte nach einem persönlichen Treffen.
Anpassung oder Tod
Um zu ihrem Sohn zu gelangen, muss Vashti eine futuristische Version eines Zuges betreten, von dem aus man einzelne Länder der Erde sehen kann. Trotz ihrer Angst vor den ganzen ungewohnten optischen Eindrücken, schafft sie es zu ihrem Sohn. Dieser hat es inzwischen auf die Erde geschafft und ist sich nun sicher, dass die Maschine den Menschen mehr nimmt als nützt und nur aus eigennützigen Motiven handelt. Die Maschine stuft Kuno als Gefahr ein und beschließt, ihn, wie alle Andersdenkende, zu vernichten. Vashti glaubt ihrem Sohn nicht und stimmt zu, Kuno der “Heimatlosigkeit”, also dem Tod, zu überlassen. Doch die Maschine beginnt nach mehreren Systemfehlern nach und nach zusammenzubrechen. Alle Menschen, die nicht auf die Erde geflohen sind, sterben.
M. Forster nah an der Realität
Die Dramatisierung basiert auf dem Roman “Zimmer mit Aussicht” des englischen Erzählers E.M. Forster (1879-1970). Die kurz darauf folgende Verfilmung der Anti-Utopie gewann drei Oscars. Der Roman erschien Jahrzehnte bevor der erste Computer erfunden wurde und skizziert eine frühe Version des Internets. Tatsächlich ist “Die Maschine steht still” sehr nah an der Realität. Nur die wenigsten kommen heute ohne Smartphone, Laptop und das Internet aus. Die virtuelle Welt scheint eine derart große Faszination auszulösen, die sich vor allem bei jungen Menschen zu einer starken Abhängigkeit entwickelt hat. Ein Leben ohne WhatsApp, YouTube und Instagram? Unvorstellbar! Die Dramatisierung von Evy Schubert zeigt in überspitzter Form, dass die komplette menschliche Hingabe zu technischen Geräten auch unser Untergang werden könnte. Maschinen erleichtern unser Leben enorm, aber sie können niemals die Einzigartigkeit der Realität ersetzen.
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Titelbild: Christian Brachwitz