Bald herrscht wieder der Berlinale-Bär über der Stadt. Ich liebe diese Zeit, in der ich täglich von einem dunklen Kinosaal zum nächsten hetze. Planungschaos, Vorverkaufsaufregung, Schlangen, volle Kinosäle, wenig Schlaf und viele, viele Themen, die kaum zu verarbeiten sind: Das ist mein Februar. Hier meine persönlichen Survival Tipps für Newbees:
1. Planung
Hast du viel Zeit und möchtest dich einfach treiben lassen, kannst du natürlich spontan beim Vorverkauf oder an den Tageskassen der Kinos schauen, was es noch gibt. Ich persönlich mag es aber, voller Vorfreude alles zu planen. Jedem, der nicht viel Zeit hat oder unbedingt bestimmte Filme sehen will, sei das auch ans Herz gelegt. Auf der Webseite der Berlinale gibt es einen persönlichen Zeitplan, zu dem du Filme hinzufügen kannst – sehr praktisch und übersichtlich. Schau dir das Programm (online ab dem 11.02.2020) an, lese dir die Kurzbeschreibung durch, sortiere aus, füge hinzu, am besten gleich für mehrere Termine, wenn dir ein Film besonders wichtig ist. Am Ende kannst du dir deinen Plan anschauen und was sich überschneidet, wieder aussortieren. Zu guter Letzt brauchst du zu deiner finalen Auswahl noch eine Übersicht, wann du welche Tickets kaufen musst.
2. So kommst du an die Tickets
Keine faulen Ausreden: So schwierig ist es nicht, für Partynächte und Konzerte stellst du dich doch auch an! Aber zugegeben, muss erstmal durchgesehen werden im Vorverkaufsdschungel.
Grundregel: 3 Tage vor der Vorstellung kannst du Tickets kaufen. Aber was wäre eine Regel ohne Ausnahmen?
Die einfachste Variante: Startet der Vorverkauf, kannst du an dem Tag schon einiges kaufen, nicht nur die Filme der nächsten 3 Tage. Möchtest du dich nur einmal kümmern, dann nimm dir einfach den Tag des Vorverkaufsstarts vor. Hier kannst du alle Filme im Friedrichstadtpalast (Sektion Wettbewerb) ergattern, alle Vorführungen, die in den nächsten drei Tagen stattfinden und alle Vorführungen des letzten Tages (Publikumstag). Du kannst die Tickets sogar ganz ohne Anstellen online kaufen, dabei musst du aber sehr schnell sein, da das Online-Kontingent stark begrenzt ist. Zwei Wettbewerbsfilme zu bekommen, kann unter Umständen schon schwierig werden. Es gilt: refresh, refresh, refresh.
3. Crew Love is True Love
Alleine ins Kino zu gehen, ist super! Alleine zur Berlinale gehen zu gehen, oft eher anstrengend, denn: Du musst dich ganz alleine um den Ticketkauf kümmern. Versuche lieber möglichst zu zweit zur Berlinale zu gehen, so könnt ihr euch beim Kartenkauf abwechseln und du musst dich nur noch um halb so viel kümmern. Achtung: Eine Person kann nur zwei Tickets kaufen, möchtest du also zu dritt gehen, müssen zwei Personen Karten kaufen… 😉
4. Sektionen mischen
Du hast keine Ahnung, was du dir anschauen möchtest? Kein Problem, aber eines lege ich dir ans Herz: Versuche die sogenannten Sektionen zu mischen. Die circa 400 Filme sind in verschiedene Sektionen gegliedert, die je einen ganz eigenen Charme mitbringen. Hier eine kleine Auswahl:
Wettbewerb – das Herzstück:
Um diese Filme drehen sich die großen Preise der Berlinale, sie sind im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Titel sind für die Preise nominiert und werden von der internationalen Jury gegen Ende des Festivals ausgezeichnet. Sie sind sehr begehrt, meist schnell ausverkauft und in den größten Sälen anzusehen. Ich liebe die Stimmung der riesigen Säle, das klatschende Publikum und die Frage, ob ich wohl einen der später preisgekrönten Filme gesehen habe.
Panorama – anders, sympathisch, mutig:
Weniger Glanz und Glitzer (sofern es das in Berlin überhaupt gibt) gibt es in der Panorama Kategorie. Filme junger Talente aus der ganzen Welt werden gezeigt, sie sollen den Zeitgeist treffen, zum Nachdenken anregen, sind „ausdrücklich queer, ausdrücklich feministisch, ausdrücklich politisch“. In der ersten Vorführung sind oft Regie und einige Schauspieler zur anschließenden Fragerunde geladen. Da es sich in der Regel um sehr kleine Produktionen handelt, ist es toll zu sehen, wie die Schauspieler, die man gerade noch auf der großen Leinwand gesehen hat, vorne stehen und überglücklich sind, Teil dieses Festivals sein zu dürfen. Außerdem handelt es sich hier um Filme, die man meist – im Gegensatz zu den Wettbewerbsfilmen – nicht unbedingt im „normalen“ Kino zu sehen bekommt.
Berlinale Shorts – kurz, knackig, wild gemischt:
Wie der Name schon vermuten lässt, werden hier Kurzfilme gezeigt. Diese werden geclustert, sodass in einer Vorstellung circa 5 Kurzfilme gezeigt werden. Genre, Stilistik und Ursprungsland variieren dabei. Eine ganz andere Art der Filmvorstellung, die erfrischend ist. Im Anschluss auch hier meist Q&As mit Beteiligten aus der Produktion
5. Auf die Länge kommts an?
Ja, natürlich müssen manche Filme lang sein, um zu wirken, um alles zu erzählen, vielleicht auch der Ästhetik halber. Aber ganz ehrlich: Meins ist es nicht. Nach 120 Minuten bin ich meist erschöpft, vor allem, wenn mir noch die 2 Filme vom Vormittag in den Knochen sitzen. Geht es dir auch so? Dann beachte unbedingt auf die Länge der Filme, bevor du dich zum Kauf entscheidest, 4-Stunden-Filme sind nicht unbedingt eine Seltenheit bei der Berlinale.
6. Schlaf tanken
Die Filme der Berlinale sind manchmal anstrengend, reißen die Zuschauer von der einen bedrückenden Geschichte hin zur nächsten. Sie konfrontieren den Zuschauer mit Kulturen, mit denen viele oft noch keinen Berührungspunkt hatten. Das alles aufzunehmen, zu verarbeiten und bereit für einen neuen Film zu sein, ist nicht leicht. Vor allem, weil Schlafmangel bei der Berlinale dazugehört. Habt ihr ein volles Programm, dann gönnt euch Ruhetage, oder sorgt die Tage davor und danach für viel Schlaf.
7. Grundwissen für 2020
Intellektueller Smalltalk ist nicht unbedingt Meins. Aber wer weiß, wer neben einem sitzt. Die Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen, könnte jedenfalls nicht besser sein.
Hier ein schneller Crashkurs für Newbees:
2020 findet die 70. Berlinale statt. Das Besondere: Nachdem Kosslick das Festival jahrelang ausgetragen hat, wechselt die Führung. Ab sofort gibt es eine Doppelspitze: Carlo Chatrian (künstlerischer Direktor, ehemals in Locarno) und Mariette Rissenbeek (Geschäftsführerin, ehemals bei German Films). Ihr Vorhaben ist es, die Berlinale auf Augenhöhe mit Cannes und Venedig zu positionieren, na klar. Konkret möchten sie einen stärkeren roten Faden zwischen den Filmen eines Festivals ziehen. Dieses Jahr ist die Berlinale besonders früh, findet also nach den Oscars statt. Großes Thema: Kommen die Sternchen wohl auch nachdem sie die tollen Hollywoodpreise schon abgesahnt haben? Helen Mirren (Oscarpreisträgerin für ihre Rolle in „The Queen“) gilt die Hommage und der Ehrenbär für ihr Lebenswerk in diesem Jahr. Die wichtigste Spielstätte, das Multiplex Cinestar am Potsdamer Platz, wird durch das Cubix am Alex ersetzt.