Musikalisches Konsumverhalten erfährt seit der Einführung und Etablierung des Musikstreamings einen drastischen Wandel. Unterschiedlichste Anbieter erschließen sich einen komplett neuen Markt und haben den Genuss von „gemieteter“ Musik nicht nur einfacher, sondern auch salonfähig gemacht. Über das Internet bietet sich eine fast unerschöpfliche Quelle an Künstlern, Alben und Genres, auf die jederzeit, überall und kostengünstig zugegriffen werden kann. Doch wie weit berührt und formt ein derartiges Konsumieren den individuellen Musikgeschmack?
Musikstreaming – ein Freiheitsgewinn?
Befürworter des Streamings sehen in dieser Art des Musikgenusses ganz klar einen immensen Vorteil. Durch den Zugriff auf einen derartig umfangreichen Pool an musikalischen Werken schaltet sich das Phänomen der Knappheit aus. Wo früher noch Plattenfirmen bestimmten, was auf dem Markt veröffentlicht wird oder Tonträger unbekannter Künstler als Raritäten gehandelt wurden, gibt es heute kaum noch Einschränkungen. Musik ist für jeden Nutzer gleichermaßen und unerschöpflich verfügbar und kann verschwenderischer denn je genossen werden. Beim Stöbern bekommen so auch unbekanntere und auf den ersten Blick vielleicht uninteressante Künstler eine Chance, in das persönliche Musikrepertoire zu gelangen. Im Gegenzug wird Musik, die den individuellen Geschmack nicht trifft schneller aussortiert und der eigene Stil Stück für Stück pointiert. Auch dem Bedarf nach dem Austausch untereinander kommen die Streamingdienste nach. Durch die Vernetzung der Nutzer untereinander bildet sich eine interessante Community zur kritischen Diskussion. Empfehlungen können hier direkt ausgetestet werden und eine kryptische Beschreibung der Musikstücke ist kaum noch nötig. In vielerlei Hinsicht bietet Musikstreaming also ein umfangreiches Angebot.
Für Kritiker avancieren Streamingportale durch eben dieses Überangebot jedoch mehr und mehr zum Schmelztiegel eines vereinheitlichten Musikgeschmacks. Um den Überblick nicht zu verlieren, greifen Nutzer hier immer häufiger auf vom Anbieter bereits vorgefertigte Playlists zurück. Das gezielte Suchen nach Musik, die den eigenen Geschmack trifft, erübrigt sich also zu einem Großteil. Wer Indie mag, klickt einfach die Indie Playlist an. Verschwenderischer Umgang wird hier mit einem oberflächlichen Musikgenuss gleichgesetzt. Denn wie soll eine kritische Auseinandersetzung mit Musik stattfinden, wenn alles, was auf den ersten Ton nicht ansprechend klingt, direkt weggeklickt wird? Spielraum für Reibung ist praktisch nicht vorhanden und es drängt sich die Frage auf, ob sich ein individueller Stil überhaupt ohne Kritik ausbilden kann. Fragwürdig bleiben also auch die vom Portal selbst gemachten Vorschläge zu neuen Künstlern oder Musikrichtungen. Diese werden anhand der Präferenzen des Nutzers generiert. Eine Maschine versucht also anhand des Nutzungsverhaltens die musikalischen Vorlieben des Users zu treffen. Ob etwas derartig Individuelles wie Musikgeschmack überhaupt von einem Algorithmus geclustert werden kann, wird gar nicht erst in Frage gestellt. Mit der Nutzung von Streamingdiensten geht hier also grundsätzlich die Angst vor Vereinheitlichung und Verlust des eigenen aber auch gesellschaftlichen Musikgeschmacks einher.
Doch egal ob Freiheitsgewinn, Bevormundung oder einfach nur eine unkomplizierte Art Musik zu genießen: Letztendlich muss doch jeder für sich selbst entscheiden, wie und ob er Online Streaming Dienste nutzen möchte.
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