Die Zeiten der unhinterfragten Plattformnutzung scheinen vorbei: Facebook missbraucht unsere Daten, Instagram verhilft uns zu einem gestörten Selbstbild und auch auf Youtube tümmeln sich immer mehr Vlogger, die noch nicht die Schule beendet haben und schon mehr verdienen als unsere Eltern. Die Frage nach einem alternativen Social Network, dass uns dabei hilft, mit anderen in Kontakt zu bleiben und dabei informiert und unterhaltet, wird immer lauter.
Vero = Das neue soziale Netzwerk?
Da scheint es nur sinnvoll, dass eine Social Network-App, die sich als „True Social“ verkauft, gerade ihren Erfolg feiert: Auch wenn Vero (italienisch für real) schon seit 2015 im Appstore erhältlich ist, so dauerte es bis Anfang März dieses Jahres, bis die ersehnte Aufmerksamkeit einschlug. Unter anderen verspricht die App eine Timeline ohne Algorithmus, frei von Werbung zu sein und keine Nutzerdaten zu sammeln. Sie soll rein über die Einnahmen durch die Abonnements finanziert werden – User Content steht im Mittelpunkt. So weit, so gut.
Schon bald sprachen prominente Nutzer von der Plattform in den höchsten Tönen: Sie sei „einzigartig“, würde die „Echtwelt-Beziehungen online spiegeln“ und „die Kunst der Kommunikation“ hinein in ein Social Network tragen. Auf der Website der App lässt sich sogar ein Manifest der Macher dazu finden.
Kein radikal neues Konzept
Dennoch entpuppt sich das Konzept der App beim Test nicht als radikal neu. Vero erinnert an eine Mischung aus Instagram und Facebook und bietet somit eine Plattform, die es ermöglicht, seine Erlebnisse und Interessen mit anderen zu teilen. Für Postings hat man sechs verschiedene Optionen, die literarische Wasserfälle jedoch unmöglich machen: Die Auswahl beschränkt ich auf Fotos/Videos, Links, Musik, Filme/TV, Bücher und Orte. Die gängigen Optionen wie Profil anlegen, Chatten und Freunde annehmen sind ebenfalls verfügbar. Kleine Unterschiede lassen sich dennoch finden: Seine Freunde kann man in vier Gruppen einteilen, von extrem privat bis öffentlich. Vielen Usern mag diese Funktion sicherlich zusagen, vor allem wenn sie gerne private Inhalte teilen.
Der Hype ist mit Vorsicht zu genießen
Ins Leben gerufen hat die App der libanesische Milliardär Ayman Hariri. Schon früh machte sich die Vermutung breit, bei dem Hype handle es sich vor allem um eine Marketingstrategie, für die man sich Influencer ins Boot geholt hatte – nicht gerade visionsgetreu.
Ich bin mir sehr sicher, dass Vero eine verdeckte Influencer-Kampagne laufen hat. Viele, denen ich folge, promoten es, obwohl sie eine super Instagram-Präsenz haben und sonst nie neue Apps testen.
— Elisabeth Oberndorfer (@Oberndorfer) 27. Februar 2018
Zudem stand der CEO und Mit-Gründer Hariri schon länger in Kritik: Als Sohn des zweifachen Ministerpräsidenten von Libanon war er stellvertretender Geschäftsführer der größten saudi-arabischen Baufirma Saudi Oger, die unter anderem massiv wegen schlechter Arbeitsbedingungen und Lohnentzug kritisiert worden war.
Die Ankündigung der Macher, die App für die erste Million Nutzer lebenslang kostenlos anzubieten, war schlussendlich jedoch eine clevere Strategie. Zu clever, denn schon bald hatte die App mit technischen Fehlern zu kämpfen, die unter anderem durch die hohe Zahl an Registrierungen zustande kam. Einige Blogger dämpfen die Euphorie ebenfalls recht früh ab, indem sie Kritik an den Nutzungsbedingungen übten. Diese legen fest, dass die Rechte an den hochgeladenen Inhalten an die App-Betreiber und User übergehen. Dies führte schließlich dazu, dass der Hashtag #DeleteVero geboren wurde. Dahinter steckt unter anderem auch die Tatsache, dass man sein Profil auf Vero nicht sofort löschen kann, sondern nur eine Anfrage auf Löschung möglich ist.
Gute Strategie – doch ist das Konzept auch nachhaltig?
Dennoch hat Vero es geschafft, den Schneeballeffekt für sich ins Rollen zu bringen. Auch beweist die App durch seine Abgrenzungen von anderen Plattformen sein Alleinstellungsmerkmal und bedient sich lustigerweise ähnlichen Klischees, wie der berühmt-berüchtigte Club Berghain: Die Optik ist dunkel, macht neugierig und man will dabei sein. Der FOMO- Effekt wurde durch die kostenlosen Abonnements somit wunderbar ausgenutzt.
Ob das Konzept von Vero dennoch nachhaltig ist, sollte abzuwarten sein. Noch ist die Mitgliederzahl zu klein, um effektives Networking mit Mehrwert anzubieten. Unserer Ansicht nach, sollte auch jeder Hype mit Vorsicht genossen werden – und die Frage gestellt werden, ob ein weiteres Profil auf einer weiteren Plattform tatsächlich notwendig ist. Diese hat zumindest uns die Entscheidung, bei Vero mitzumischen, erleichtert.
Titelbild: @Alexa Suter