Das digitale Zeitalter macht vor den Banken nicht halt. Zwar sind alle gesellschaftlichen Schichten und wirtschaftliche Branchen längst digital vernetzt, doch auch der Bankensektor selbst wird immer mehr zu einem digitalen Touchpoint – egal ob etablierte Systeme wie das der Sparkasse, welches sich mit der “App Sparkasse” am mobilen Netz beteiligt, oder neuartige Konzepte wie N26, welches mit seiner Usability und User Experience einen USP ohnegleichen in der Fintech-Branche vorweisen kann. Digitale Ökosysteme wie ebay, amazon oder Google zeigen, dass nicht nur Dienstleistungen digitalisiert werden, sondern auch der Handel im virtuellen Raum längst Teil der alltäglichen Lebensrealität ist. Dass auch Banken sich zu einer Institution mit vornehmlich virtuellen Berührungspunkten entwickelt und somit stärker in der digitalen Lebensrealität präsent sein wird, ist nur eine Frage der Zeit. Doch welche Auswirkungen haben diese Vernetzungen auf die Lebenswelt, in welcher sich der Mensch bewegt?
Der Digitalisierung von Diensten geht eine Monetarisierung von Diensten voraus: Das Umfeld, in dem sich der Mensch bewegt, ist somit zunehmend von betriebswirtschaftlichen Abläufen und dem Anliegen der dahinter stehenden Unternehmer geprägt. Die Selbstentfaltung des Individuums findet im Kontext der Selbstverwirklichung anderer statt. Die Lebenswelt wird durch die Digitalisierung mehr denn je systematisiert und gibt dem einzelnen Menschen Selektionsbahnen für sein Handeln vor. Der Mensch ist nicht mehr bloß Mensch, sondern auch User. Geld und Wirtschaft funktionieren dabei wie Medien, über welche sich mehrere Individuen miteinander verständigen. Es bildet eine transzendente Basis für die zwischenmenschliche Interaktion.
Die Bank als sinnstiftender Gestalter von sozialen Systemen
Durch die Digitalisierung bewegen sich die Finanzmärkte in den sozialen Raum des Users. Die App von N26 macht es vor: Eine offene Kommunikation mit der Institution, die transparente Usability sowie die Möglichkeit der Interaktion mit eigenen sozialen Kontakten deuten darauf hin, dass sich Banken nahe an der sozialen Identität ihrer Zielgruppe positionieren möchten. Die App ist zugleich ein Medium, welches die individuelle Identität mit der sozialen Identität zusammenbringen soll. So kann ein Finanzunternehmen langfristig zu einem Teil des Selbstkonzeptes einer Zielgruppe werden.
Voraussichtlich 1,7 Megabytes Daten werden im Jahr 2020 pro Person generiert. Auch Bänker überlegen, wie sie die enormen Datenmengen ihrer Zielgruppe nutzen können und das Geschäftsmodell als digitale Bank überdenken müssen. Eckart Windhagen vom McKinsey-Institut ist verantwortlich für das Thema Advanced Analytics im Banking und sagt:” Big Data und Advanced Analytics zählen zu den aussichtsreichsten Hebeln, die Banken bislang kaum erschlossen haben.” Big Data und die Auswertung der Daten versprechen eine strategische Positionierung und die persönliche Ansprache von Kunden. Es ermöglicht eine passgenaue Ausrichtung der Produkte an die Zielgruppe und eine Komplementierung der Bedürfnisse von Usern. Das Ziel ist dabei immer eine engere Bindung zwischen Kunden und Unternehmen – ein Outcome auf der emotionalen Ebene, welcher nur zustande kommen kann, wenn das Unternehmen Teil des sozialen Systems des Kunden wird. Damit der Marke einer Bank dies gelingen kann, muss sie einerseits als Wertesystem den Kunden emotional ansprechen, andererseits selbst zum sozialen System werden, welches sich der Kunde zu eigen machen kann. Dies gelingt durch eine Multichannel-Präsenz auf den sozialen Netzwerken – oder gar durch ein firmeneigenes Netzwerk, welches die Interaktion der Kunden miteinander ermöglicht. So oder so werden Banken zu einem Influencer für das soziale Handeln, welches ganz im Sinne des Big Data und Advanced Analytics den Kunden dazu ermutigen möchte, sich im Rahmen des Finanzunternehmens zu verwirklichen.
Foto: @John Towner