30 Jahre GIF-Kunst:
Ein Bildformat schreibt Geschichte

GIF Kunst von Erdal Inci bewegte Massen

Ein GIF sagt mehr als 1000 Worte. Ob Wut, Hass, Liebe oder Ironie – GIFs liefern die passenden Emotionen und Reaktionen für jede (Online-)Lebenslage. Dieses Jahr feiern die kleinen und extrem kurzen Clips in Dauerschleife ihren 30. Geburtstag. Künstler auf der ganzen Welt sehen in den Animationen eine Möglichkeit, sich kreativ wie emotional auszudrücken. Wir haben uns die Welt der GIF-Kunst genauer angesehen.

GIFs: Entstanden durch eine glückliche Fügung

Steve Wilhite ist unser Mann: Er erfand das GIF (Graphics Interchange Format) vor 30 Jahren als er von dem Internetanbieter CompuServe den Auftrag erhielt, ein Bildformat zu entwickeln, dass Speicher spart und die Kompatibilität verbessert. Was dabei herauskam waren Fotos, denen ein transparenter Hintergrund verpasst werden konnte. Ein weiteres Feature: die Möglichkeit, sie hintereinander in einer Datei abzulegen. Je nach Browser zeigte sich so entweder ein normales Bild oder eine Abfolge von Fotos. Insbesondere, weil der damals gängige Browser Netscape letzteres ermöglichte, etablierte sich die berühmt berüchtigte Animation. Das erste GIF war angeblich ein Flugzeug:
via GIPHY

Von wegen Animationen im Web-Staub

Doch ihr Alter sieht man den aktuell im Netz kursierenden GIF’s gar nicht an. Mit blinkenden, bunten Überschriften und verpixelten Figürchen aus den Zeiten des Web 1.0 haben die heutigen Animationen nicht mehr viel zu tun. Heute benutzt sie fast jeder und wenn nicht, dann hat man sie bestimmt zumindest schon einmal gesehen. Sie sind aus der Online-Welt kaum mehr wegzudenken und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Das Oxford Dictionary ernannte den Begriff GIF im Jahre 2012 sogar zum Wort des Jahres.

GIFs im Social Media Kontext

Die Mini-Videos leben durch Social-Media viral auf. Facebook nahm das Jubiläum zum Anlass, die Bewegtbilder auch in der Kommentarfunktion mittels eines eigenen GIF-Buttons bereitzustellen. Auch Twitter bietet eine integrierte Suche an. Nur auf Instagram lassen sich GIF’s als Bildformat nicht ganz so einfach einpflegen. Hier bleibt dem Nutzer nur der Upload einer mp4-Datei. Doch die kleinen Videos werden nicht nur plattformübergreifend in der Alltags-Kommunikation, im WhatsApp Chat, bei Facebook oder Twitter geteilt, sondern erhalten beispielsweise auch Einzug in die Werbe- und Kunstbranche. Die Firma GIPHY erkannte ebenfalls ein Potential und stellt den Nutzern eine eigene Suchmaschine, eine Art Bibliothek für GIF’s zur Verfügung. Dort kann auch jeder seine eigenen kurzen Clips erstellen und einpflegen. Professionelle GIF-Art Künstler sind ebenfalls vertreten.

 

Gemälde und GIF’s: Michelangelo 2.0


via GIPHY

Einige bedienen sich alter Gemälde, erwecken sie zum Leben, verändern, fügen hinzu, setzen sie in einen neuen Kontext und erzeugen so aus alter, neue Kunst. Der spanische GIF- und Animationsdesigner Rasalo (Ja – es gibt anscheinend sogar eine extra Berufsbezeichnung dafür) veränderte auf diese Weise einige Klassiker mit einem ironisch zwinkernden Auge. Da scheitert im Fresko von Michelangelo Gott plötzlich daran, Adam mit seinem Finger Leben einzuhauchen (und das obwohl dieser im GIF so schön mit den Augen klimpert). Da wird dem vitruvianischen Menschen, den jeder von uns zumindest von seiner Krankenkassenkarte her kennt, vor lauter Drehung schlecht.

 

GIF-Kunst als Tanz

Lichtspiel im Hierapolis Amphitheatre
Rasalos Hierapolis Amphitheatre

Die ganz besonders faszinierende, gar hypnotisierende, GIF-Reihe “Clones Project” stammt von dem Fotografen und Künstler Erdal Inci. Viele, der auf seiner Website veröffentlichten Darstellungen, erinnern durch ihre Lichtspiele und beweglichen Gruppierungen an kleine Tänze. Sie entstehen durch Klonen, Multiplikation und Wiederholung. Der zeitliche Aspekt spielt im kreativen Prozess des Projektes eine wichtige Rolle: „Mir ist aufgefallen, dass man eine Bewegung bis ins Unendliche duplizieren kann. So kann man alle einzelnen Zeitfenster derselben Performance sichtbar machen. Das gibt einem wiederum die Gelegenheit, wie ein Maler oder Choreograph zu denken und eine Masse zu formen. Dabei füllt man den Rahmen nicht mit Formen oder Farben, sondern mit Bewegung“, so der Künstler.
Da darf die Berliner Lichtergrenze, die temporäre Installation anlässlich des Mauerfalljubiläums, als GIF natürlich nicht fehlen. Ein Kunstwerk über ein Kunstwerk.

 

Nachdenkliche Animationen

Sozialkritische GIF Kunst des serbischen Künstlers Milos Rajkovic zeigen Obdachlosen auf einer Bank
Milos Rajkovics sozialkritisches GIF

Sozialkritisch und ernst wird es hingegen bei der GIF-Kunst des serbischen Künstlers Milos Rajkovic. Er thematisiert in seinen Animationen soziale Probleme sowie Missstände und zeigt, dass es manchmal keiner Worte bedarf.

 

Fotografien zum Leben erweckt

GIF Kunst von A. L. Crego. Roboter Graffiti auf einem Hochhaus bewegt sich
A. L. Cregos GIF zu Straßenkunstwerken; Graffiti von Phlegm, Bloop Festival in Ibiza

Wie Fotografien und im Speziellen Straßenkunstwerke digital erweitert werden können, zeigt der Fotograf und Motion Designer A. L. Crego in eindrucksvoller Weise. Er animiert die einzelnen Bildelemente und lässt sie mit ihrer Umgebung interagieren. So werden Zeichnungen und eingefrorene Momente zum Leben erweckt und durch die Erweiterung des Kontextes mit neuen Bedeutungen aufgeladen.

GIF: Eine Collage aus alt und neu

Die vorgestellten Arbeiten zeigen nur einen Bruchteil des Universums an GIF-Kunstwerken und den dahinterstehenden Künstlern. Sie erschaffen aus Filmsequenzen, Fotografien, eigenen Videoaufnahmen, Textelementen, Multiplikationen, digitalen Bearbeitungen und anderen Techniken, aus Altem und Neuem, aus Vorhandenem und noch nicht Bestehendem, digitale Kunst. Dass man diese wiederum theoretisch als Antwort auf eine Nachricht im Chat nutzen kann, zeigt, wie das kleine Bildformat eine kreative Verbindung schlägt – sowohl optisch als auch narrativ. So kann jeder GIF-Nutzer mit einer kreativen Antwort ebenfalls zum digitalen Künstler und Bastler werden. Und genau hier liegt eine Besonderheit: Die Videosequenzen in Endlosschleife können inhaltlich für sich selbst sprechen und kreativ, lustig, humorvoll, traurig oder einfach nur unterhaltsam sein. Doch sie leben davon, geteilt zu werden. Mit ihnen lassen sich kreative Antworten finden. Sie eröffnen in jeder Hinsicht erzählerische Spielräume.

“Jif” statt “giff”

Übrigens: Laut dem Erfinder sprechen die meisten Nutzer das Wort GIF falsch aus. In einem Interview mit der New York Times erklärt Wilhite: “The Oxford English Dictionary accepts both pronunciations. They are wrong. It is a soft ‘G,’ pronounced ‘jif.’ End of story”.

 

GIFs:
Titelbild und “GIF-Kunst als Tanz”: @Erdal Inci
“Gemälde und GIF’s: Michelangelo 2.0”: @Rasalo
“Nachdenkliche Animationen”: @Milos Rajkovik
Fotografien zum Leben erweckt: @A.L. Crego

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