Digitale Identität: Wechselwirkung zwischen On- und Offline

Blick in ein Fenster Frau vor Laptop und Smartphone Spiegelung der Straße und von vorbeilaufenden Menschen symbolisiert zwei Persönlichkeiten: Die digitale Identität und die reale Identität

Wer sich die Möglichkeiten der Selbstinszenierung On- und Offline betrachtet, muss sich die Frage stellen, welches “Ich” authentisch sein kann. Wie stimmt meine digitale Identität mit der realen überein? Sind die Avatare im Netz ein wahrhaftiges Abbild unserer Identität oder bloßes Wunschdenken? Ist unserer Auftreten in der Realität realer, weil es unmittelbarer ist? Dazu muss zwischen den vielen Handlungs-Situationen unterschieden werden – unserem Auftreten im Kontext der Familie, Freunde, Beruf, Vereinen … oder wenn wir alleine sind. Womöglich ergibt die Summe unserer Denk- und Handlungsmuster eine unbewusste Identität.

In einer digitalisierten Welt ist der Mensch nicht nur Mensch, sondern auch User. Ob auf Facebook, Instagram oder Linkedin: Es bietet sich eine Vielzahl an Möglichkeiten für die Profilierung – mit unterschiedlichen Intentionen und Kommunikations-Codices. Kommunikationswissenschaftler haben ermittelt, dass sich der User dabei immer (unbewusst) an seinen Wunschbildern orientiert. Social Media ist ein Tool des Storytelling, und der User begreift sich als Erzähler seiner eigenen Geschichte. Er hat den Blick von außen auf sich Selbst erlernt und geht an seine Kommunikation mit folgender Prämisse ran: Welche Geschichte möchte ich erzählen und wie muss ich mich darstellen, damit ich Protagonist in dieser Geschichte sein kann. Das Selbstbild, die digitale Identität, definiert sich im Netz also durch die eigene Identität und das soziale Selbstverständnis. Dieses Bild, welches im Social Media regelrecht konzipiert und strategisch kommuniziert wird, bietet dritten “Identitäts-Anbietern” – Influencern, Unternehmen, Menschen-Marken –  eine Projektionsfläche für die eigene Story. Das Geheimnis des Storytelling ist, Identitäten einen Kontext zur Identifikation und Weiterentwicklung zu bieten. So können Menschen Orientierung erhalten – gerade im Zeitalter des Informationsüberflusses.

Unabhängig von den Informationen, welche der User bewusst von sich preisgibt, bilden seine Meta-Daten eine objektive Komponente und damit seine digitale Identität. Demografische Daten zu Orten und Zeiten, Nutzer-Geräten und Such-Anfragen ergeben ein sachliches Bild unserer Persönlichkeit, welches mehr oder minder von dem Selbstkonzept abweicht. Die Diskrepanz dieser beiden Bilder lässt auf Bedürfnisse, aber auch auf die Integrität des Users schließen. Im Netz lässt sich allerdings bloß ein digitales Verhalten erfassen und interpretieren. Experten streiten sich, ob es sich dabei um ein verzerrtes oder maximal authentisches Abbild unserer Identität handelt – gerade weil Menschen in keiner anderen Form so viele Informationen und Spuren hinterlassen, wie im digitalen Raum. Allerdings können auch hier bewusst Informationen gestreut und verfälscht werden. Die Medienkompetenz X.0 ist der Inbegriff der Wandelbarkeit des Menschen, welche nicht im digitalen Raum endet, sondern auch auf seine Offline-Identität zurück reflektiert. Wie wir uns darstellen, ist wie wir uns sehen, ist wie wir uns verhalten.

Was bedeuten also die Möglichkeiten der Selbstinszenierung für den Menschen? Offensichtlich ist die digitale Identität ein Ergebnis des Offline-Menschen. Dabei sind zwischenmenschliche Beziehungen der Schlüssel zum Selbstverständnis eines jeden Menschen. Sehnsüchte, welche durch die Selbstdarstellung im Netz komplementiert werden, ergeben sich aus den Erfahrungen und der Zufriedenheit des Menschen hinter dem Avatar. Alle diejenigen, welche ein bewusstes Storytelling im Netz betreiben und eine Community ansprechen, suchen dabei bewusst nach Sehnsüchten und Bedürfnissen, welche sie bedienen können. So gerät das Netz zu einem Marktplatz für Sinn und Bedeutung. Wer eine authentisch-schlüssige und emotional-ansprechende Botschaft stark kommunizieren kann, gewinnt das Vertrauen und den Glauben der Community. Wer sich seiner Identität nicht sicher ist, der meint im Netz zu gestalten, wird allerdings schnell Teil einer audience. Dabei sind die Grenzen zwischen Consumer und Producer fließend. Dies ist vor allem in einem Zeitalter brisant, indem der Begriff digitale Kunst die kreative Szene prägt.

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